Mittwoch, 4. November 2009

Poker King - China vor dem Rounders-Effekt

"Er schaut sich Rounders einmal pro Woche an." Das sagte ESPN-Kommentator Norman Chad über einen der Spieler an Tag 8 des WSOP Main Events. Leider erinnere ich mich nicht mehr, welcher Spieler es war, aber vielleicht ist es auch nicht wichtig. Ziehen wir ein wenig ab - a) von der Begeisterung dieses Spielers für ein fraglos interessantes Produkt der Kulturindustrie und b) für den zu Übertreibung neigenden Norman Chad -, sagen wir, er schaut sich den Film alle zwei Wochen an, das wären immer noch stolze 26 Mal im Jahr. Bei einer Laufzeit von 116 Minuten sind das 3016 Minuten oder etwa 50 Stunden. Im Jahr verbringt dieser Mann also etwas mehr als zwei Tage mit Rounders. Mal im Ernst, einfach nur zuschauen scheint da kaum noch möglich. Es muss eher eine Inszenierung wie bei den Fans der Rocky Horror Picture Show sein. Er lädt Freunde ein, spielt Szenen mit, spricht Texte nach und hat immer Chips zur Hand, um sie in der berühmten finalen Hand wie der unvergleichliche John Malkovich in die Mitte des Pots zu werfen - im Gefühl des sicheren Sieges, kurz bevor er die Fassung verliert: "Nyet! Nyet! No More! No! Not tonight. This son of bitch, all night he, 'Check. Check. Check.' He trap me!" Wobei dieser Ausruf des Entsetzens auch dafür stehen könnte, dass unser Zuschauer langsam die Nase voll hat von diesem Streifen.



Auch wenn ich den Film nur zweimal gesehen habe, Rounders ist zweifellos Kult. Er ist großartig besetzt mit Edward Norton, Matt Damon, John Turturro und John Malkovich, die Story ist gut, die Inszenierung überwiegend glaubhaft und dramatisch wie ein guter Sportfilm. Unbestritten ist, dass Rounders das Interesse am Pokerspiel weckte, lange bevor Chris Moneymaker und das Internet den weltweiten Pokerboom auslösten. Pokerpro Gavin Griffin glaubt, dass die realistische Darstellung von Rounders die große Wirkung ausgemacht habe. Der Film zeige eben auch die Schattenseiten.

Rounders 2 soll inzwischen in Vorbereitung sein, sogar ein vages Erscheinungsdatum ist in Umlauf, 2012, und es gibt Gerüchte, dass Leonardo DiCaprio mitwirkt. Wetten würde ich darauf nicht.

Natürlich liegt die Messlatte hoch. Das gilt für alle Pokerfilme, die in der Zeit nach Rounders, also nach 1998, erschienen sind. Keiner konnte bislang Rounders das Wasser reichen. Und das ist wahrscheinlich auch nicht von Poker King zu erwarten, der vor knapp zwei Wochen Premiere feierte. Der Film erzählt die Geschichte vom Kampf um ein Kasino im Las Vegas des Orient, in Macau. Der Eigentümer verstarb. Uno Check soll sich das Erbe erschlichen haben. Um sich von den Vorwürfen reinzuwaschen, holt Check den rechtmäßgigen Nachkommen nach Maucau. Das ist Jack Chang, und der lebte bisher in Kanada als Online-Pokerpro ("played on multiple monitors, with his room cluttered with pizza boxes"). Sie kämpfen ums Erbe, es soll darum gepokert werden, und zwar bei einer Weltmeisterschaft am Finaltisch. Das klingt nach Drama, zu meiner Überraschung aber führt die Internet Movie Database den Film im Genre Komödie. Die Zeitung Malay Mail Online schreibt, der Film folge dem Vorbild einer typischen Hongkong-Komödie.

Pokerlegende Johnny Chan hat in Pokerfragen mit Rat zur Seite gestanden. Chan glaubt, dass der Film das Zeug hat, einen Pokerboom in China auszulösen. Vielleicht gelingt das, auch wenn der Film möglicherweise nicht so gut ist wie Rounders. Laut einem Bericht von Newsweek ist die Neigung der Chinesen zum Glücksspiel trotz staatlichen Verbots seit 1949 ungebrochen. Ein Wissenschaftler der Pekinger Universität schätzt, dass im letzten Jahr etwa 146 Milliarden Dollar bei illegalem Glücksspiel umgesetzt wurden.



Lies auch:
Poker in Asien

Keine Kommentare: