Dienstag, 8. Dezember 2009

Die Geschichte des Online-Poker und ein bisschen Paranoia

Ihr kennt ihn so und nicht anders: Victor Vega eignet sich auf seinen Beutezügen im Internet alles an, was nicht niet- und nagelfest ist. Und sagt immer brav, wo es herkommt, das gehört zur Parasitenehre. In diesem Fall ist es eine kurze Geschichte des Online-Poker, die Jan Meinert für Poker Olymp zusammengeschrieben hat. Viel Lesenswertes, insbesondere von den Anfängen:

"Eine Horde 'Internet-Nerds' mit einer Leidenschaft für das Pokerspiel diskutierte lebhaft auf RGP. RGP bedeutet 'rec.gambling.poker' und war damals eine Newsgroup zum Thema Poker, ähnlich den heutigen Pokerforen."

Mit dabei waren laut Meinert laut Meinert Leute wie Chris "Jesus" Ferguson, Greg Raymer, Perry Friedman, Paul Phillips, David Sklansky, Mike Caro und Steve Brecher. Aus diesen Diskussionen sei dann ein Pokerserver im Internet Relay Chat entstanden, das Spiel sei ganz ohne jeden technischen Schnickschnack ausgekommen: "Die Spiele liefen damals chatbasiert ab, also eher wie ein Textadventure. Graphisch gab es da nix zu sehen."

Es gibt ein Cardplayer-Interview mit Chris Ferguson (ab etwa 1:40), in dem er an einer Stelle kurz vom Spiel auf IRC-Poker berichtet. Das sei, so weit er wisse, der erste Online-Pokerraum gewesen. Laut Ferguson war das im Jahr 1989.

Weitere Stationen der kurzen Geschichte des Online-Poker führen über Planet Poker und PartyPoker zu Chris Moneymaker, aber eben auch zu den unvermeidlichen Rechtsfragen und auch den Skandalen um Ultimate Bet und Absolute Poker. Bei Letzteren immerhin gibt es, wenn auch spät, so etwas wie Aufklärung, und viele Spieler, die damals mithilfe von Superuser-Accounts betrogen wurden, haben zumindest einen Teil ihrer Verluste ersetzt bekommen. Was es psychologisch für einen Spieler bedeutet, wenn er andauernd betrogen wird und nicht nur Geld, sondern auch das Vertrauen in sein Spiel verliert, davon berichtete Mike Matusow.

Aber es sind nicht die einzigen Skandale gewesen. Es gibt eine Reihe von Seiten, die einfach von heute auf morgen im Nirvana verschwanden und das Geld ihrer Spieler auf Nimmerwiedersehen mitnahmen, zum Beispiel die leidige Eurolinx-Geschichte in diesem Jahr, bei der sich inzwischen immerhin die maltesische Polizei eingeschaltet haben soll.

Jeder dieser Fälle beschädigt den Ruf des Online-Poker. Die genannten Fälle sind üble Fälle, aber sie sind noch nicht der Supergau. Michael Pirro hat einen etwas paranoiden , und das ist nicht abfällig gemeint, Artikel für den ISA-Guide geschrieben, in dem er nach der Ehrlichkeit des Online-Poker fragt. Er beschäftigt sich, in dem Text mit vielen Merkwürdigkeiten. Spieler beschwerten sich beim Support des Anbieters über viele Bad Beats hätten plötzlich eine Gewinnsträhne. Leute hätten in den ersten Tagen nach einer Neuanmeldung ungewöhnlich gute Karten erhalten und außerordentliche hohe Gewinne erzielt. All das kann selbstverständlich rein zufällig sein. Und dann die immer wieder gern genommenen Bad-Beat-Serien: "Auch argumentieren die Anbieter bei Bad Beats auch immer ganz gern damit, dass online viel mehr Hände gespielt werden. Es ist so, dass mehr Hände gespielt werden. Aber ist es denn normal, dass 80% mehr gespielte Hände gefühlte 400% mehr Bad Beats verursachen?" Bis zum heutigen Tag gibt es keine Beweise dafür, aber würde ein solcher Fall aufgedeckt, das wäre der Supergau für Online-Poker.

Die Debatte darum ist natürlich nicht neu, vermutlich eher so alt wie Online-Poker selbst. Und in dieser Debatte wird viel spekuliert, und nicht immer sinnvoll. Pokeranbieter machen ein Milliardengeschäft. Warum sich selbst ins Bein schießen? Warum noch gieriger sein? Ed Miller hat einen ausgezeichneten Artikel geschrieben, warum es Sinn machen könnte. Der Fisch soll weiter spielen und weiter Umsatz generieren, deswegen muss sein schlechtes Spiel belohnt werden und der Lauf der Karten nur ein ganz klein wenig zu seinem Vorteil manipuliert werden. Auch das ist eine Spekulation, die aber erlaubt sein muss. Bis wir eines Tages Gewissheit haben.

Pirro stellt nämlich auch die Kernfrage:

"Wer kontrolliert eigentlich die Anbieter von Online-Pokerplattformen? Die Antwort ist einfach: Niemand. Die Anbieter können schalten und walten wie sie wollen und die Software so programmieren, dass es am Ende nur einen Gewinner gibt, nämlich den Anbieter selbst."

Ich bin mit den genauen Abläufen nicht vertraut. Zumindest Bill Rini schreibt, dass viele Pokeranbieter die "random number generators" von dritter Seite untersuchen lassen würden. Da bliebe dann nur zu hoffen, dass die Kontrolleure auch wirklich unabhängig sind und nicht von den Anbietern für ihre Dienste bezahlt werden. Wie unzureichend solche Kontrollen sind, belegt die Rolle, die Ratingagenturen bei der Finanzkrise gespielt haben.

Die Kontrollmechanismen jedenfalls sind für den Durchschnittspokerspieler nicht sehr transparent, und die Fälle von UB und Absolute erwecken kein Vertrauen in die Standards der Industrie, schließlich wurden sie durch Pokerspieler selbst aufgedeckt. Vermutlich müssen sich Pokerspieler so organisieren, dass sie selbst effektive, unabhängige Kontrollen durchführen können, aber das klingt zunächst einmal nach einer heroischen Aufgabe.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein bisschen Kontrolle von unabhängiger Stelle sollte schon sein und würde dem Ansehen und Vertauen echt gut tun. Danke für den Artikel

Jeru hat gesagt…

Ich musste gerade letztens auch genau über das nachdenken!
Ich hatte ja einen Plattformwechsel (bin von PS zu FT gewechselt) hinter mir und dort lief es auch nach dem Muster ab... erst innerhalb von wenigen Sessions gut im Plus um dann richtig durchgereicht zu werden.

Die Frage ist, ob das aber nicht einfach nur selektive Wahrnehmung ist...
Wäre man einfach weiterhin gut gerunned, wäre man auf solche Gedanken garnicht gekommen!

Letztendlich glaube ich, da es keine Kontrollen gibt, wird die Software wohl auch einen minimalen eingebauten Vorteil für den Fisch bieten, denn nichts ist schlimmer, als eine Pokerplattform oder schlechte Spieler!
Nachvollziehen kann es höchstwahrscheinlich auch bei genauer Prüfung nur schwer jemand, wenn irgendwo in den Tiefen des Programms Abweichungen im Prozentbereich eingebaut wurden!